Shakespeare im Lehrergarten
Die Englisch Theater AG des AKG hat sich viel vorgenommen. Sie inszenierte eine der handlungsreichsten, kompliziertesten Liebeskomödien Shakespeares, die ihren motivisch gewollten Reichtum leichtfüßig in das Feld der Unübersichtlichkeit überführt und diese Übersichtlichkeit durch das rasante Tempo, das den Komödien von Shakespeare so eigen ist, nur noch verstärkt. Hinzu kommen unzählige Figuren, deren Funktion innerhalb des Stücks sich nur durch das bewusste Wissen von der Struktur, der sich im Umbruch befindenden, streng hierarchisch gegliederten elisabethanischen Gesellschaft erschließen lässt. Zu der thematischen Vielfalt des Stückes gehören Standardthemen wie Tradition und Wandel, die schwierige Unterscheidung zwischen Schein und Sein, die Macht der sprachlichen Intrige über sicher geglaubtes Wissen (frühere Form des mittlerweile weit verbreiteten Framing), die Unzuverlässigkeit und Wankelmütigkeit der Figuren auch und vor allem gegenüber seinen Nächsten, die Macht der Vorurteile, aber auch solche, die mit dem Wesen des Menschen im Allgemeinen untrennbar verknüpft sind. Wir erwähnen mal die Boshaftigkeit, die Eifersucht, das schlechte Gewissen, aber auch die Sehnsucht nach Liebe und Dominanz! über den Partner…Und dann die Sprache…schon eine Herausforderung für Lesende, geschweige die Hörenden…so bleibt dem aufmerksamen Zuschauer nur die schauspielerische Leistung der Schülerinnen und Schüler als Ganzes an vier aufeinanderfolgenden Abenden herauszustellen und zu würdigen.
Vielleicht ist es gerade die jugendliche Unvernunft, ihr Mangel an Erfahrung, die latente Neigung zur Selbstüberschätzung, das fehlende Wissen um die komplexen Absichten Shakespeares gesellschaftlich zementierte Rollen zu kritisieren, der Garant für ein unbedarftes, befreites und sicheres Auftreten, das im heiteren und unschuldigen Spiel ihren der Ausdruck fand und die Zuschauer prächtig unterhielt.
Die beiden Liebespaare Claudio und Hero sowie Benedick und Beatrice überzeugten vor allem durch ihre gespielte Ernsthaftigkeit und komödienhafte Bereitschaft die ups und downs einer Beziehung zu beleuchten, die nicht nur von selbstbestimmten Absichten, sondern auch von subtilen Formen der Fernsteuerung geprägt wird, die gefährliche wie auch gewünschte Wendungen herbeiführen kann. Auf jeden Fall aber den Darstellern und Darstellerinnen eine hohe Flexibilität an Gesichtsausdrücken abverlangte, die erstaunlich gut gemeistert wurde. Die Ironische Distanz, Boshaftigkeit, Scheinheiligkeit versteckte Zuneigung, aber auch Leid und Enttäuschung konnten stimmlich wie gestisch erfolgreich vermittelt werden und so die Rollendynamik glaubhaft in Szene setzen. Ebenso glaubwürdig war auch das Auftreten der Figuren Don Pedro und Don John, die beide sehr unterschiedliche Strategien verfolgen, die sich aus ihrer gesellschaftlichen Rolle heraus entwickeln. Während der eine (Don Pedro) die höchste gesellschaftliche Instanz ist und an der Spitze der Nahrungskette steht, ist der andere „the illegitimate half-brother of Don Pedro“, und somit notorisch eifersüchtig, leicht gekränkt und voll böser Absichten. Er ist wie Jago ein durch und durch böser Mensch und sehr schwer darzustellen. Entschlossenheit, Textsicherheit und körperliche Präsenz, die auch durch die laute Stimme unterstützt wurden, machten den Mangel an Lebenserfahrung wett, der in dem Alter nun mal existiert, aber wie erlebt, nicht hinderlich sein muss, um solche Rollen überzeugend darzustellen. Ergänzend und bereichernd war auch das Spiel der vielen Nebenfiguren, die vor allem durch ihren körperlichen Einsatz, ihre zum Teil gewagten, ironisch verzerrten und somit gebrochenen Darstellungen erwachsener Handlungen, welche die Zuschauer erheiterten, auffielen. Die schnellen Wechsel ihrer Auftritte in unterschiedlichen szenischen Räumen lassen erahnen, welche körperlichen Fähigkeiten solche Rollen voraussetzten. Kampfszenen und Waffen unterschiedlicher Art ergänzten das betont körperliche Spiel, das solchen Aufführungen eigen ist, und verdeutlichten das breite Repertoire der spielerischen Klasse dieser jungen Truppe. Der sparsame Einsatz von Requisiten und Lichteffekten wirkte eher unauffällig und wenig hinderlich auf die typisierende Darstellung der Figuren, welche durch die angemessene Wahl des Sprechtempos, die Sprechweise und der Lautstärke zusätzliche Konturen erhielten. Sprechtiming und Sprachtiming waren insgesamt stimmig und wurden nur zum Teil durch die Schwierigkeiten und Eigentümlichkeiten der Fremdsprache leicht behindert.
Dazu passend war auch der physische Rahmen, der dem spielerischen Auftritt ihren authentischen Charakter verlieh. Das Hühnergegacker im Hintergrund, der begleitenden Gesang der Frösche… und die Attacken der Schnaken bereicherten die performance der Schülerinnen und Schüler auf natürliche Weise und ermöglichten dem Zuschauer eine Erfahrung zu machen, die ihm im geschlossenen Raum verwehrt bleibt, aber im Jahrhundert Shakespeares Alltag war.
Mein herzlicher Glückwunsch soll diesen Text beschließen.
Guten Appetit und alles Gute weiterhin
Ein Bewunderer Shakespeares und der dramatischen Kunst
Hans Schuller