Diskussion mit Jugendoffizier der Bundeswehr
Aus aktuellem Anlass erhielten Schülerinnen und Schüler der E-Phase am 27.06.2022 in der Mensa des AKG einen sehr informativen und anregenden Einblick in die Grundlagen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Jugendoffizier der Bundeswehr, Hauptmann Jens Bockwinkel, war von Andrea Klein (Fachbereichsleitung AFB II) eingeladen worden, um gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern des AKG Grundlagen der aktuellen Sicherheitslage, insbesondere vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, zu diskutieren.
In einem ersten Teil stellte Hauptmann Bockwinkel zunächst die Ausgangslage dar. Er legte besonderen Wert auf eine frühzeitige und ständig zu aktualisierende Bedrohungsabschätzung, wie sie im Weißbuch der Bundesregierung dargestellt wird. Als Beispiele nannte er:
1. „zwischenstaatliche Konflikte“, d.h. dass Kriege in Europa wieder denkbar (oder gar aktuell im Gange) sind; seit der Annexion der Krim durch Russland taucht dieser Aspekt wieder im Weißbuch der Bundesregierung auf
2. Gefährdung der Informations-, Kommunikations-, Versorgungs- und Handelslinien und der Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung
3. Transnationaler Terrorismus
Er betonte, dass man akzeptieren müsse, dass die Rahmenbedingungen in anderen Ländern von denen in der Bundesrepublik grundverschieden seien, dass man unsere Wertmaßstäbe und Verhaltensweisen auf viele andere Länder nicht übertragen könne und dass man folglich diesen Bedrohungen nur begegnen könne, wenn man sie verstehe. Man müsse also wissen, warum Menschen z. B. Piraten oder Terroristen würden. Meist geschehe dies aus existentieller Not heraus. In Somalia etwa seien viele Fischer gezwungen gewesen, neue Einkommensquellen zu suchen, nachdem die Fabrikschiffe der Industrienationen die somalischen Fischbestände erschöpft hätten. Folglich würden sie nun Containerschiffe überfallen. Die Piraten mit Waffen zu bekämpfen sei also nur eine Arbeit an den Symptomen, beseitige aber nicht die Ursache des Problems. Die Bundesregierung verfolge prinzipiell einen vernetzten Ansatz: „Diplomacy, Defense & Development“, auch wenn an der konkreten Umsetzung noch viel gearbeitet werden müsse.
Er begrüße daher das 100-Milliarden-Sondervermögen, um die Bundeswehr in den Stand zu versetzen, ihre vom Grundgesetz geforderten Aufgaben zu erfüllen. Die Ausrüstung der Bundeswehr sei im Grunde exzellent, nur gebe es davon zu wenig, so dass momentan nur die Soldatinnen und Soldaten auf Auslandseinsätzen nach dem neuesten Stand ausgerüstet seien. Sobald die ganze Truppe wie geplant, einheitlich und modern ausgerüstet sei, könne sie auch ihre im Grundgesetz festgelegten Aufgaben erfüllen. Eine Wehrpflicht sei dazu allerdings nicht notwendig.
In der anschließenden regen Diskussion zeigte sich, wie vielfältig mögliche Aspekte dieser Außen- und Sicherheitspolitik sind. Von der Finanzierung der Bundeswehr über bisherige Auslandseinsätze bis hin zum Krieg in der Ukraine gab es viel zu besprechen.
Besonders interessiert zeigten sich die Schülerinnen und Schüler jedoch an den persönlichen und moralischen Implikationen von Konflikten. Herr Bocknickel erzählte beispielsweise von seiner Begegnung mit einem Soldaten, der in Afghanistan bei der Verteidigung eines Checkpoints in korrekter Befolgung seiner Befehle ein Fahrzeug beschossen hatte. Erst danach stellte sich heraus, dass sich in dem Fahrzeug nur eine Mutter und ihre Kinder befunden hatten. Warum sie Warnsignale nicht beachtete und direkt auf den Checkpoint zuhielt, habe man nicht mehr feststellen können. Gegen den Soldaten sei anschließend eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet worden. Vor allem müsse er aber mit seiner Schuld leben. Schreckliche Einzelerlebnisse wie dieses müssen die Menschen in der Ukraine vermutlich täglich erleben. Durch die plötzliche Stille in der Mensa teilte sich die Betroffenheit der Zuhörer mit.
Dirk Scheffler