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Hessens Schüler forschen für weltweiten Klimaschutz

 

 

Tilman Arndt aus Bensheim beschäftigt sich in Marburg mit dem Potenzial Erneuerbarer Energien / Einblicke in Forschung und Lehre

 

Bensheim/Marburg. Das Bewusstsein für den Ausbau Erneuerbarer Energien ist wacher denn je. Die aktuelle weltpolitische Situation hat deutlich gemacht, wie wichtig ein Umstieg auf nachhaltige Lösungen tatsächlich ist. „Das Thema ist unfassbar akut“, betonte der Sciene-YouTuber Jacob Beautemps beim 32. Erfinderlabor. Doch nachhaltige Technologien für die Zukunft des Planeten brauchen ein hohes Maß an Innovationen und kreativen Konzepten, so der studierte Physiker. „Dafür braucht es kluge Köpfe wie euch“, so Beautemps über die 16 hoch motivierte Oberstufenschüler*innen, die sich eine Woche mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt haben.

 

Es ging um moderne Technologien für die Welt von morgen: beim Wissenschafts-Workshop des Zentrums für Chemie (ZFC) waren auch diesmal wieder jeweils acht leistungsstarke Teilnehmer*innen aus ganz Hessen mit dabei, um im engen Dialog mit Wissenschaftlern in einem professionellen Umfeld zu experimentieren und dabei wertvolle Einblicke in Forschung und Lehre zu erhalten.

Darunter auch Tilman Arndt vom Alten Kurfürstlichen Gymnasium (AKG) in Bensheim: „Ich habe am Erfinderlabor teilgenommen, um meine Studien-/Berufsorientierung voranzubringen und darüber hinaus aktuelle Lösungsansätze für umweltpolitische Fragestellungen kennenzulernen und zu diskutieren. Nach einer Woche praktischer Arbeit und theoretischer Exkurse bin ich der Zukunft einen Schritt nähergekommen und freue mich, diese Erfahrung mit anderen interessierten Menschen erlebt zu haben.“

 

Partner waren diesmal der Heiztechnikspezialist Viessmann und die Philipps-Universität Marburg. Die Abschlussveranstaltung am Freitag hat aufgrund der andauernden Pandemie erneut im virtuellen Format stattgefunden. Doch auch auf der Online-Bühne machten die jungen Forscher – wenngleich am Freitag personell dezimiert – eine souveräne Figur. Die Präsentationen im hybriden Format (einige Schüler*innen waren online zugeschaltet) haben gezeigt, wie tief die jungen Forscher in die Materie eingestiegen sind – und wie lebendig sie auch komplexe wissenschaftliche Sachverhalte einem breiten Publikum erläutern können.

 „Beim Erfinderlabor geht es um ressourceneffiziente Technologien, die in naher Zukunft unseren Alltag verändern könnten“, sagte Prof. Dr. Sabine Pankuweit, Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Karriereentwicklung an der Philipps-Universität, wo die Schüler*innen an den Fachbereichen Physik und Chemie eng mit Doktoranden zusammengearbeitet haben. „Das hat nicht nur viel Spaß gemacht, sondern auch bei der Studienwahl geholfen“, so Kian Alraum von der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt.

Zentrales Thema war die Wasserstoff-Technologie. Die vier Schülerteams beschäftigten sich mit den elementaren Eigenschaften sowie den Anwendungs- und Speichermöglichkeiten von Wasserstoff, der als saubere Energiequelle gilt, sofern bei seiner Herstellung sogenannter grüner Strom verwendet wird. Auch mit dieser technologischen Herausforderung haben sich die Teilnehmer*innen in den Labors intensiv auseinandergesetzt. „Das Thema könnte nicht aktueller sein“, so auch Christopher Textor aus dem Hessischen Kultusministerium (Abteilungsleiter Allgemeinbildende und berufliche Schulen). Das Erfinderlabor unterstütze die Zielsetzung der hessischen Bildungsverwaltung, den MINT-Bereich dauerhaft zu stärken und die Kompetenzen junger Menschen zu steigern, so Textor: „MINT ist ein Zukunftsthema.“

 

ZFC-Vorstand Dr. Thomas Schneidermeier betonte die enge inhaltliche Verbindung der internen Projekte mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN): „Das ZFC steht für Wissenstransfer und Nachhaltigkeit.“ Neben der thematischen Fokussierung gehe es bei dem Workshop auch darum, die Teilnehmer bei der Entwicklung einer individuellen Bewertungskompetenz bei Themen wie Treibhauseffekt und Klimaschutz zu unterstützen, so der Initiator des Erfinderlabors. Ein Ansatz, dem auch im noch jungen ZFC-Format „Frag die Minties“ folgt: dabei werden für den Kanal YouTube kurze Erklärvideos von Studierenden und ehemaligen Erfinderlaborteilnehmer*innen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) produziert, die eine bildstarke Unterstützung für die vom ZFC passgenau entwickelten Unterrichtssequenzen bieten.

 

Prof. Dr. Kerstin Volz leitet an der Uni Marburg den Sonderforschungsbereich „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“, an dem sich rund 60 Wissenschaftler*innen mit Grundlagenforschung und Anwendungsszenarien bei der Entwicklung neuartiger Bauelemente befassen. Ob Smartphones, Computer oder Displays: in all diesen Geräten sind winzige elektronische Bauteile aus unterschiedlichen Materialien eingebaut. Die Kontaktflächen zwischen zwei Materialschichten werden als innere Grenzflächen bezeichnet. „Das Erfinderlabor bringt Schüler*innen den spannenden Alltag von Lehre und Forschung näher“, so Prof. Kerstin Volz, die mit Forschern aus den Bereichen Physik, Chemie und Materialwissenschaften zusammenarbeitet.

Eine interdisziplinäre Ausrichtung erkennt sie auch beim Workshop des Zentrums für Chemie, der wissenschaftliche Grundkompetenzen vermittelt und durch einen weiten thematischen Blickwinkel auch Perspektiven für die berufliche Zukunft der Jugendlichen öffnet, die sich in Marburg unter anderem mit den Grundlagen der Laserspektroskopie beschäftigt haben, um atomare oder molekulare Spektren zu untersuchen und so etwas über die Funktionsweise von Farbstoffsolarzellen zu erfahren.

 

Dr. Christof Wegscheid-Gerlach, Fachbereichskoordinator im Fachbereich Pharmazie an der Philipps-Universität, lobte die strukturierte und wissenschaftlich kritische Darstellung des Schülerteams: „Ihr habt das Publikum nicht nur von der Theorie zur Anwendung geführt, sondern auch gezeigt, dass bei der Entwicklung neuer Solarzellen noch viel Grundlagenforschung bedarf.“ Für das Team steht dennoch fest, dass die Photovoltaik beim Umstieg auf regenerative Energien eine zentrale Rolle spielt.

 

Das direkte Feedback der Experten war auch diesmal wieder durchweg positiv. Gregor Disson, der für den Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Hessen das Erfinderlabor schon seit vielen Jahren begleitet und unterstützt, sprach von hervorragendem Teamwork und auch für ein fachfremdes Publikum verständlichen Präsentationen.

Dr. Thomas Schneidermeier dankte allen Sponsoren und Kooperationspartnern für die Unterstützung des Workshops, der seit 2005 einen konstant hohen Zuspruch erlebt. Die alternativen Formate seit Beginn der Pandemie konnten daran nichts ändern. Wie immer wurden alle Teilnehmer*innen mit Zertifikaten und einem digitalen Jahresabo von Spektrum der Wissenschaft belohnt.

 

Das Erfinderlabor ist eine Workshop-Reihe des Zentrums für Chemie (ZFC). Seit 2004 entwickelt und organisiert der gemeinnützige Verein in Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Ministerien Projekte, um über die Vermittlung einer naturwissenschaftlichen Grundkompetenz hinaus gesellschaftlich relevante Themen wie Klimaschutz, Energiewende und Ressourceneffizienz in den Unterricht der MINT-Fächer Chemie, Physik, Mathematik, Biologie und Informatik zu integrieren und mit klassischen Unterrichtsinhalten zu verzahnen. Damit sollen fachliche Grundlagen für eine individuelle Meinungsbildung ermöglicht und Perspektiven für neue Berufsfelder konkret vermittelt werden.

 

Aufbauend auf Erfahrungen im von 2006 bis 2019 durchgeführten ZFC-Pilotprojekt „Energiewende in den Unterricht“ entstehen seit 2021 für die MINT-Fächer in Kooperation mit der Landesenergieagentur Hessen, der Hopp Foundation und weiteren Partnern kurze Unterrichtssequenzen.

Die Unterrichtssequenzen verknüpfen klassische Lehrplaninhalte mit dem Themenkomplex Treibhauseffekt und Klimaschutz und können dadurch leicht in den Regelunterricht der MINT-Fächer eingebunden werden. Erklärvideos der MINTies sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Sequenzen.

 

Thomas Tritsch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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