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Dr. Heinrich Breidenbach – Leiter des Gymnasiums Bensheim in der NS-Zeit

Im Jahre 1947 wurde vom „Ausschuß politischer Parteien“ über den Leiter des Gymnasiums Bensheim wie folgt geurteilt: „Heinrich Breidenbach wird allgemein als überzeugter und fanatischer Nazi bezeichnet. Er ist bereits im Jahre 33 der NSDAP beigetreten und dürfte aufgrund seiner Parteizugehörigkeit Direktor des Gymnasiums Bensheim geworden sein. Bei Schulfeiern hat er sich in seinen Reden ganz besonders für die nationalsozialistischen Ideen eingesetzt.“

Laufbahn eines Nazis

Breidenbach, am 20. März 1876 in Eberstadt als Sohn des Lehrers Jacob Breidenbach und seiner Ehefrau Dorothea Eysenbach geboren, übernahm die Leitung des Gymnasiums Bensheim am 16. August 1933. Seine Dissertation „Zwei Abhandlungen über die tironischen Noten“ erschien 1900 im Verlag Schlapp in Darmstadt. Von 1904 bis 1925 unterrichtete er Klassische Philologie an der Oberrealschule bzw. am Gymnasium Worms und anschließend am Ludwig-Georgs-Gymnasium Darmstadt. Die Beförderung zum Oberstudiendirektor verdankte Breidenbach, seit 31. Mai 1933 NSDAP-Mitglied und von 1934 bis 1940 SA-Mitglied, politischer Protektion.

In seiner Antrittsrede stellte er die nazistischen Erziehungsvorstellungen von „körperlicher Ertüchtigung, geistiger Entwicklung mannhafter Tugenden und Wissen im neuen Geiste“ heraus. Das Gymnasium wolle nicht Griechen und Römer, sondern deutsche Menschen schaffen und erziehen. Dem Volke gelte das Leben, die Betonung des eigenen Ichs führe zum Tode.

Katholische Schüler verlassen das Gymnasium

Zahlreiche Gymnasialschüler lebten als Internatsschüler im Bischöflichen Knabenkonvikt oder im Fidelis-Kolleg. Sie verhinderten eine vollständige Nazifizierung des Schullebens, so dass dem Gymnasium Bensheim als einziger hessischer Schule keine HJ-Fahnen verliehen wurden. Bereits 1933, so die Aussage des Präfekten aus dem Kapuziner-Orden, Pater Otto Weber (1897-1972), im Spruchkammerverfahren, habe Breidenbach verlangt, dass die einhundertzwanzig Schüler des Fidelis-Kollegs geschlossen der HJ Bensheim beitreten sollten. P. Otto sah sich veranlasst, 1935 eine Klasse von zwölf Schülern ein Jahr vor dem Abitur abzumelden, „um sie vor dem HJ-Geist zu bewahren, den ihnen Dr. Breidenbach beibringen wollte.“

Sechs Oberstufenschüler besuchten 1933 den Reichsparteitag in Nürnberg. „Der 30. Januar [1934] als Geburtstag der Nationalen Erhebung bot dem Direktor Gelegenheit, die Zeit vor 1933 den Erfolgen des 1. Jahres des 3. Reiches gegenüberzustellen.“ Am 1. Mai 1934 stiftete Breidenbach der Schule eine Fahne.

Der Lehrkörper 1936 (Bild: Universitätsbibliothek Giessen)

In seiner Begrüßungsansprache zur 250-Jahrfeier des Gymnasiums am 2. Juni 1936 bezeichnete Breidenbach die Hitlerjugend als gleichberechtigten Erziehungsfaktor neben der Schule. Seine Festrede enthielt Sätze wie z.B.: „Heute wissen wir, daß das Deutschland der Zukunft nur nationalsozialistisch sein kann oder es wird überhaupt nicht sein. – Unsere Zukunft als Staat und Volk steht und fällt mit dem Nationalsozialismus.“ An Hitler sandte Breidenbach während der Festwoche ein Telegramm, das ein Treuegelöbnis enthielt. Angeblich habe der Redner mit solchen Bekenntnissen das Humanistische Gymnasium vor einer Umwandlung in eine „Oberschule“ bewahren wollen.

Noch 1944 stellte Breidenbach, von den Schülern „Zeus“ genannt, im Griechischunterricht Parallelen zwischen Hellenentum und NS-Zielen heraus, unter Bezugnahme auf die Spartaner.

Allerdings ließ Breidenbach Kollegen, die keine Nazis waren, unbehelligt. Denunziationen kamen im Kollegium kaum vor.

1945: Ruhegehalt eines Oberstudienrats

Vor der Spruchkammer betonte Breidenbach, dass er lediglich seine Pflicht als Beamter getan habe. Vieles habe ihm nicht gepasst, etwa die Heranziehung von Siebzehnjährigen als Luftwaffenhelfer.

Wegen seines Alters wurde Breidenbach in Gruppe III, Minderbelastete, eingestuft. Er wurde in den Ruhestand versetzt mit dem Ruhegehalt eines Oberstudienrates.

Bemerkenswert ist ein Eintrag in der Chronik des Fidelis-Kollegs vom 23. Dezember 1948. Breidenbachs Nachfolger, Dr. Leo Kozelka (1893-1989), berichtete über die missliche Lage Breidenbachs und bat Pater Otto, er möge diesen in der Privatschule beschäftigen, was jedoch auf Ablehnung stieß.

Im April 1949 wurde in Folge von Breidenbachs Antrag auf Begnadigung die restliche Bewährungszeit erlassen und eine Einstufung in Gruppe IV, Mitläufer, vorgenommen. 1949 verlegte der frühere Schulleiter seinen Wohnsitz von der Ernst-Ludwig-Straße 11 nach Darmstadt, Dieburger Straße 5.

Aus seiner Ehe mit der 1883 in Lausanne geborenen Lea Herf gingen die Kinder Norbert und Ingeborg hervor. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er am 12. Oktober 1935 die Witwe Emma Maria Franck, geb. Stein (1881-1968), von der er sich am 7. Mai 1940 scheiden ließ. Im selben Jahr heiratete er die Darmstädterin Barbara Auguste Thiele, geb. Krämer (1897-1970).

Dr. Heinrich Breidenbach, der auch in der NS-Zeit seine Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche aufrecht erhalten hatte, starb am 15. April 1960 in Darmstadt.

(Franz Josef Schäfer)

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