„Geschichte erinnern, Zukunft gestalten: eine Jugend im Dialog“
– unter diesem Motto fand am 02.10.2025 in der Mensa des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums Bensheim eine wegweisende Veranstaltung zum Thema „Holocaust Education“ statt.
Das Konzept
Auf Initiative und unter der fachkundigen Leitung von Stefan Trier, Leiter des Fachbereichs II an der Geschwister-Scholl-Schule, konnte mit zahlreichen Sponsoren und Förderern zum zweiten Mal eine sehr besondere Fahrt im Rahmen der schulischen „Holocaust Education“ stattfinden. 30 Schülerinnen und Schüler reisten im März 2025 nach Krakau und trafen dort auf israelische Schülerinnen und Schüler. Gemeinsam besuchten sie unter anderem an zwei Tagen die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Dank der Kooperation der Bensheimer Schulen befanden sich unter den Teilnehmern auch fünf Schülerinnen und Schüler des AKG, die den PoWi-Leistungskurs an der GSS besuchen. Einer der Schüler, Julius Wünsch, ergriff die Initiative, die berührenden Erlebnisse mit der Schulgemeinde am AKG teilen zu wollen. Flankiert von aufgezeichneten Interviews mit Alexander Jürgs von der FAZ, der die Reise begleitet hatte, und zweier israelischer Schüler nahmen Julius, Anna, Caro, Paul und Till das Auditorium (Schülerinnen und Schüler der Klassen 11 des AKG und LKs PoWi 12 der GSS und des AKG) in einem multimedialen Vortrag mit auf eine emotionale Reise.
Intensive Erlebnisse
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoben in ihrem Vortrag die Intensität ihrer Erlebnisse im Verlauf der Fahrt hervor. Zum einen standen dabei die Geschehnisse des Holocaust im Mittelpunkt. Das Galizien-Museum in Krakau vermittelte den Schülerinnen und Schülern ein Gefühl dafür, wie sehr menschliche Schicksale durch die Verbrechen des Nationalsozialismus in Mitleidenschaft gezogen, aber auch wie viele Kulturgüter unwiederbringlich vernichtet wurden. Alle Vortragenden hoben hervor, wie berührend die Begegnung mit der Auschwitz-Überlebenden Lydia Maximovitsch war, die als Dreijährige nach Auschwitz kam, sofort von ihrer Mutter getrennt wurde und im „Kinderblock“ das Grauen des Lagers und ihrer Begegnung mit dem berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele überlebte. Das riesige, abweisende Gelände der Lager von Auschwitz und die schon in der Architektur zum Ausdruck kommende Grausamkeit hinterließen ebenfalls einen nachhaltigen Eindruck. Etwa die „Rampe“: auf den ersten Blick einfach ein unauffälliger Bahnsteig, zweckmäßig und schlicht; gleichzeitig war dies aber auch der Ort, an dem Familien getrennt und die einen zur sofortigen Vernichtung, die anderen zu einem langsameren Tod durch Zwangsarbeit bestimmt wurden.
Neben diesen bedrückenden Erfahrungen war es allen Beteiligten ein besonderes Anliegen, die zwischenmenschliche Seite der Fahrt hervorzuheben. Alle waren sich einig: Es war leicht, sich gegenseitig kennenzulernen. Nach weniger als einem Tag waren Freundschaften entstanden, die auch jetzt – trotz der großen Entfernung – weiterbestehen. „Man muss sein Herz öffnen, um das Projekt zu verstehen“, so Trier, und das gelte in mehr als einer Hinsicht. Besonders beeindruckend sei die gemeinsame Schabbat-Feier am Freitagabend gewesen, die nicht nur von einem festlichen Essen, sondern vor allem von einer spontanen Feier mit Live-Musik, Gesang und Tanz geprägt war. Überhaupt hätten die israelischen Teilnehmer ein hohes Maß an Lebensfreude und emotionaler Offenheit gezeigt. So fiel es allen Schülerinnen und Schülern nicht schwer, aufeinander zuzugehen.
„Verantwortung übernehmen, Geschichte nicht vergessen“
Dieser stille Appell, den schon Lydia Maximovitsch allen Teilnehmern vermittelt habe, müsse, da waren sich alle einig, bestimmend für die Zukunft sein. In einer Demokratie müsse jeder die Verantwortung dafür übernehmen, dass Verbrechen wie die des Nationalsozialismus sich niemals wiederholten.
Doch Antisemitismus sei weltweit verbreitet und die politischen Extreme auf dem Vormarsch. Deshalb sei es so wichtig, die historischen Tatsachen nicht zu vergessen und die Menschen kennenzulernen, statt politischen Parolen zu folgen. Ebenso, wie die heutigen Israelis sehr genau zwischen den Nationalsozialisten und den heutigen Deutschen unterschieden, müsse man zwischen den Israelis und der gegenwärtigen Regierung Israels unterscheiden. Weltoffenheit, Zusammenhalt und Gemeinschaft schützten nicht nur die Demokratie als Ganzes, sondern auch jeden Einzelnen. Aus all diesen Gründen empfehlen die Beteiligten allen Schülergenerationen uneingeschränkt die Teilnahme an diesem Projekt. Herr Trier wird künftig das AKG mit Andrea Klein, Leiterin des Fachbereichs II, partizipieren lassen, so dass beim diesjährigen Projekt, einer deutsch-israelischen Begegnungswoche und der Fahrt nach Krakau und Auschwitz, je 15 Schülerinnen und Schüler der GSS und des AKG dabei sein dürfen.
Dirk Scheffler