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Interesse ist der beste Lehrer

Ehemalige zum Löchern im Klassenzimmer und klare Ausblicke auf ein Leben nach der Schule weit über den Horizont des Schulgebäudes hinaus: Die Karriere-Nächte am AKG gaben Schülerinnen und Schülern wieder gute Einblicke.

Was ist der wertvollste Tipp bei der Berufswahl? „Es muss Spaß machen, dann kommt das Geld von ganz allein!“ Michael Sigmund ist IT-Architect bei IBM Deutschland. Nach über 40 Jahren in einer enorm dynamischen Branche kennt er nicht nur die komplexe und kurzlebige Welt der elektronischen Datenverarbeitung – er weiß auch aus eigener Erfahrung, welche Kriterien bei der Berufsorientierung die Hauptrolle spielen sollten.

„Folgt bitte eurem persönlichen Interesse und schaut nicht auf vermeintliche Spitzengehälter“, so der Experte bei den AKG Career Nights, wo er am Donnerstag neue Berufsbilder im IT-Umfeld vorgestellt hat. Gute Ratschläge über den Start in Studium und Ausbildung waren inklusive.

 

Michael Sigmund, Abitur 1983, war einer von über 30 Referenten an zwei Abenden, an denen sich Schüler ab Jahrgangsstufe neun aus erster Hand über konkrete Perspektiven informieren konnten. Die Referenten waren zumeist ehemalige Schülerinnen und Schüler des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums.

 

Karriere zum Anfassen

 

Für die Zielgruppe bedeutete das: individuelle Biografien und Karrieren zum Anfassen und plastische Berufsbilder aus kurzer Distanz – Ehemalige zum Löchern im Klassenzimmer und klare Ausblicke auf ein Leben nach der Schule weit über den Horizont des Schulgebäudes hinaus. Organisiert wurde die aufwendige Veranstaltung von Andrea Klein, die als Mitglied der Schulleitung das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld (Fachbereich II) leitet. Kurzfristig hatten drei Gäste ihre Teilnahme abgesagt. Das thematisch vielseitige Info-Büfett war dennoch enorm reichhaltig. Da jeder Vortrag zwei Mal angeboten wurde, hatten Schüler die Chance, an beiden Tagen vier Termine zu besuchen.

 

Interesse ist der beste Lehrer: Dass sich Sigmund das Fachgebiet Informatik ausgesucht hat, war eine konsequente Entscheidung. Seit seiner Kindheit hatte er ein großes Interesse an Zahlen. „Mathematik schafft Ordnung im Hirn.“ Sie sei eine Voraussetzung für strukturiertes Problemlösen und analytisches Denken, was in der Informations- und Systemtechnik eine wesentliche Voraussetzung sei, um sich in diesem Genre souverän und letztlich auch erfolgreich bewegen zu können.

Nach dem Studium am Karlsruher Institut für Technologie führte ihn sein Weg zu verschiedenen Unternehmen und in unterschiedliche Spezialgebiete, von der Software zur Hardware, von der Kundenbetreuung zur Forschung und Entwicklung. IBM waren damals die berühmtesten drei Buchstaben der Branche.

Heute ist das amerikanische Unternehmen weniger populär bei der Jugend, weil es sich weniger auf dem Consumer-Markt als in den Segmenten Anwendung und Systembetreuung engagiert, so der Referent. IBM-Technologie stecke praktisch in jedem Geldautomat und sei auch bei der Zahlungsverwaltung von Kreditkarten im Einsatz. „Alt, aber nicht verstaubt“, so Sigmund über seinen 1911 gegründeten Arbeitgeber. IBM ist eines der weltweit führenden Unternehmen für branchenspezifische Produkte und Dienstleistungen im IT-Bereich sowie Software und Hardware.

Wer sich in diesem Reich beruflich integrieren will, der sollte viel Motivation und Freude mitbringen, aber bloß keine Scheu vor vermeintlichen Hürden zeigen. Auch, wer in Mathe oder Englisch (die Sprache der IT) keine Eins vorweisen kann, sollte sich nicht früh aus der Bahn werfen lassen.

 

In der kurzlebigen Welt der Computertechnik mit der ständigen Erneuerung des Wissensschatzes und inhaltlichen Upgrades sei lebenslanges Lernen ohnehin Pflicht. Der Stoff aus seinem Studium – damals waren seine Zuhörer am AKG noch lange nicht geboren – sei in seiner konzeptuellen Qualität noch überwiegend gültig, doch inhaltlich habe sich fast alles verändert.

„Das Spektrum im IT-Sektor ist wahrscheinlich das breiteste überhaupt.“ Aufgrund des „beängstigenden Fachkräftemangels“ biete es sehr gute Berufschancen auch für junge Einsteiger, die sich im Falle einer Wahl für IT auch mit dem Boom der Künstlichen Intelligenz (KI) auseinandersetzen müssen.

 

Über den Wolken oder im Hangar

 

Maschinelles Lernen und automatisiertes Verhalten seien die zentralen Schlagwörter der Gegenwart, denen man sich aber nicht allzu emotional oder ängstlich nähern sollte, wie Michael Sigmund betont: „Computer sind zunächst einmal dumm, wir reden hier nicht von einer Gefahr für die Menschheit.“ Wenn man den Stecker herausziehe, sei jeder Spuk vorbei.

KI und Anwendungen wie ChatGPT seien da, um dem Menschen zu helfen und ihn bei der Bewältigung riesiger Datenmengen zu unterstützen. Dass moderne Computertechnologie auch in der Luftfahrt eine tragende Rolle spielt, bestätigte Bernd Bechtel von der deutschen Fluggesellschaft Condor. Er war Geschäftsführer der Condor Technik GmbH und ist heute Director Maintenance Economics & Strategy.

Dabei kümmert er sich unter anderem um die Wartung der insgesamt 53 Flugzeuge, deren Betrieb von rund 5000 Mitarbeitern am Boden und in der Luft organisiert wird. Condor steuert von Deutschland, Österreich und der Schweiz 90 Destinationen in Europa, Afrika und den USA an und befördert rund neun Millionen Passagiere im Jahr.

Ehemalige Flugbegleiter, die später im Management gelandet sind

Die Mitarbeiter sitzen aber nicht nur im Cockpit: Sie sorgen für den Bordservice und den technisch einwandfreien Zustand der Flieger. Neben den Segmenten Transport, Verkehr und Logistik bietet das Unternehmen Berufsfelder im administrativen, im technisch-mechanischen oder im repräsentativen und kommunikativen Bereich. Ob über den Wolken oder im Hangar, im Büro oder als Teil der Cabin Crew: die Vielfalt sei groß, die Optionen unterwegs ermöglichten thematische Wechsel auch im Verlauf der persönlichen Karriere, so Bechtel im AKG.

Er kenne ehemalige Flugbegleiter, die später im Management gelandet und dort in leitender Position tätig sind. „Die Limits setzt ihr ganz allein.“ Die Reise gehe immer weiter und sollte stets dorthin führen, wo man jeweils die für sich beste Perspektive erkennt. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur motivierte die Gymnasiasten, dem eigenen Kurs zu folgen und sich nicht von Mythen und Märchen beeinflussen zu lassen.

Die Karrieremöglichkeiten seien immer wichtiger als die Frage nach dem ersten Gehalt. Er selbst hatte nach dem Schulabschluss in Bensheim Physik und Maschinenbau in Mannheim studiert.

 

Wohin die Reise für die künftigen Abiturienten gehen wird, ist vor dem Eintritt in die Oberstufe noch unklar. Die Career Nights am AKG haben ihnen aber dabei geholfen, persönliche Favoriten genauer unter die Lupe zu nehmen oder Berufsfelder kennenzulernen, die sie bislang noch nicht auf dem Radar hatten.

 

Die Spannweite reichte von der Biotechnolgie bis zum Sozialarbeiter, vom Rechtsanwalt bis zum Hautarzt, vom Kostümdesigner bis zum Kriminalkommissar und vom Fluglotsen bis zum Psychotherapeuten.

 

Thomas Tritsch (im BA vom 9.2.2024)

Bilder: Stefan Meinberg

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