AKG-Schülerinnen und Schüler unterstützen ökologisches Weinbau-Projekt
Daniel Bonerz bewirtschaftet auf einem alten Familienweinberg eine Rieslingparzelle im Fürstenlager im Einklang mit der Natur. Unterstützt wird er bei der Pflanzaktion von Schülerinnen und Schülern des AKG.
Es sind unscheinbare 0,1 Hektar Rebfläche. Eine alte Rieslingparzelle an exponierter Stelle der Lage Auerbacher Fürstenlager. Seit über 80 Jahren in Familienbesitz. Der Wein war ein Nebenerwerb. Als dies nicht mehr möglich war, wurde die Fläche verpachtet. Ganz aus den Augen verloren hat man sie nie.
Vor gut drei Jahren ging das kleine Stück Land wieder an die Familie über. Doch Mascha und Daniel Bonerz wollen nicht nur Trauben lesen, sondern eine ökologische Oase schaffen, in der traditioneller Weinbau im Einklang mit der Natur stattfinden kann.
Also machten sich die Kleingrundbesitzer auf die Suche nach alternativen und regenerativen Anbaumethoden, bei denen auch Aspekte wie Bodengesundheit und Biodiversität eine tragende Rolle spielen. Favorisiert wurde ein Modell, das eine ganzheitliche Kombination aus Agrar- und Forstwirtschaft ermöglicht und nicht auf den Anbau einzelner Arten abzielt.
Nutz- und Beipflanzen sollen auf einer Fläche eng beieinander stehen und dort ein vernetztes, stabiles und intelligentes Ökosystem bilden mit pflanzlichen Synergien, wie sie auch in der Natur vorkommen. Kurz: Eine Anbaumethode, die nicht nur brachliegende Flächen wieder aufwertet, sondern auch gesunde Pflanzen, fruchtbaren Boden sowie eine hohen Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels bietet.
Artenvielfalt wird gefördert
Das Prinzip des Dynamischen Agroforsts gibt der Natur wieder mehr Raum und fördert die Artenvielfalt vor Ort, betont Daniel Bonerz am Donnerstag, dem Tag der großen Pflanzaktion. Es ist ein relativ milder Novembertag, der Boden ist feucht, die Reben stecken mitten in der Winterruhe. Der Termin markiert den Beginn eines Langzeitprojekts, und die Schüler, die dabei helfen, werden wohl noch Jahrzehnte auf diesen kleinen Weinberg zurückblicken und ihre Spuren erkennen.
Die Zusammenarbeit mit dem Alten Kurfürstlichen Gymnasium (AKG) kommentiert Bonerz als Glücksfall. Dort war er selbst Schüler, und auch seine Kinder besuchen das AKG. Im Kollegium traf seine Vision auf offene Ohren und pädagogische Neugierde.
Für den Biologie- und Chemielehrer Ullrich Treubert-Zimmermann ist das Naturprojekt ein ideales Beobachtungs- und Experimentierfeld für den Wahlunterricht Naturwissenschaften in den 9. und 10. Klassen. „Wir werden nächstes Jahr die ein oder andere Schulstunde nach draußen verlegen“, so der Lehrer, der den Prozess auch im Kontext des Klimawandels als wertvolles Lehrstück erachtet, da es vertiefte Einblicke in die Ökologie der Erde und die sensible Struktur von Lebensräumen ermöglicht. Daher eigne sich das Thema hervorragend für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), so Treubert-Zimmermann, der am Donnerstag ebenfalls im Weinberg geholfen hat. Zwei Schülerteams waren mit Spaten in den Wingert hinaufmarschiert, um die Grundlage von etwas Besonderem zu schaffen.
Der Blick reicht weit nach vorn. Dynamischer Agroforst könne dabei helfen, natürliche Lebensräume vor einer Zerstörung oder Degradierung zu schützen und dauerhaft wiederherzustellen, so David Schäfer, der auf die klimaökologischen Aspekte dieser Bewirtschaftung verweist, die auch für die regionale Kulturlandschaft überaus wichtig sind. Schäfer gehört zum Verein Naturefund, der vor 20 Jahren in Wiesbaden gegründet wurde seit 2011 in seinen nationalen und internationalen Naturschutzprojekten auf den Dynamischen Agroforst (DAF) spezialisiert hat. Naturefund kauft Land für Natur, um Lebensraum für die Vielfalt der Arten zu bewahren. Im Zuge des Klimawandels werden verstärkt Wälder wieder aufgeforstet.
Eine spannende Premiere
Meistens kooperiert man mit Kommunen und Landkreisen, wertet Stadtgrün auf und sorgt für ökologische Oasen im urbanen Raum. Jetzt widmet sich der Verein erstmals einer Weinparzelle. Für die Experten aus der Hauptstadt bedeutet das eine spannende Premiere, so Schäfer, der in diesem Fall lieber von einem facettenreichen Weingarten spricht.
Mit dem Agroforst habe man eine Anbaumethode gewählt, die eigentlich traditionell ist und heute in Fachkreisen schon wieder als innovativ gilt. Sie setzt auf eine sehr hohe Pflanzdichte und grüne Vielfalt. „Auf diese Weise bleibt die Biomasse dem System erhalten“, so Daniel Bonerz, der sich von konventionellen Monokulturen verabschieden und eine Alternative etablieren wollte, die positive Auswirkungen auf den Wasser- und Nährstoffhaushalt und die Bodengesundheit haben und zudem die Treibhausgasemissionen reduzieren sollte. In Auerbach werden die über 30-jährigen Weinreben künftig in dichter Gemeinschaft mit 80 Bäumen, Sträuchern und etwa 400 krautigen Pflanzen wachsen. Das fördert die Balance in der Erde, schützt vor Erosion und Wetterextremen. Gerade in einer Hanglage wie dieser.
Strategisch basiert die Methode auf drei Prinzipien: Vielfalt der Arten, Pflanzendichte und Schnitt. In diesem Dreiklang entsteht ein dynamisches System mit gesunden Pflanzen, einem hohen Biomassewachstum und verstärkter Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels, etwa Dürre, Sturm und Starkregen. Typische Phänomene der letzten Jahre, die in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich noch zunehmen werden.
Ohne künstlichen Dünger
Die Pflanzen sind durch das umfassende Nährstoffangebot im grünen Kollektiv außerdem besser versorgt und auch ohne künstliche Dünger und Spritzmittel widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge. Zudem weisen DAF-Parzellen laut David Schäfer bereits nach kurzer Zeit eine deutlich erhöhte Artenvielfalt im Pflanzensystem wie auch im Boden darunter auf.
Denn ein Großteil der Landpflanzen ist unterirdisch über hauchdünne Pilzfäden mit benachbarten Pflanzen verknüpft, so Schäfer. In diesem gigantischen Netzwerk findet ein vitaler Handel mit Nährstoffen statt. Innerhalb dieses enormen Pilzgeflechts wird so rege kommuniziert, dass manche Wissenschaftler die sogenannte Mykorrhiza mit einem neuronalen Netzwerk vergleichen. Der Clou: Pilze und Pflanzen tauschen nur das auch, was sie wirklich benötigen. Etwa Phosphor, Enzyme oder Stickstoff. Pflanzen in ungünstigen Umweltbedingungen streben daher eher nach Kooperation als solche, die gut versorgt sind. Überversorgung und Mangel werden vermieden. Eine Win-win-Situation, so Schäfer in Auerbach.
Daniel Bonerz ist froh, den ersten Schritt getan zu haben. Jetzt soll das Projekt Fahrt aufnehmen und der weitere Prozess regelmäßig evaluiert werden: Wie entwickelt sich die Biodiversität? Welche Pflanzen und Tiere leben im Weinberg? Und welche Erträge liefern die Reben in dieser besonderen Umgebung? Die Naturwissenschafts-Kurse am AKG werden die Entwicklung begleiten auf diesen speziellen 1000 Quadratmeter Weinberg im Herzen der Hessischen Bergstraße.
Thomas Tritsch
(veröffentlicht im BA vom 18.11.2023)