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Porträts

Carl Joseph von Wreden (1761–1829)

Am bezeichnendsten für Carl Joseph von Wreden sind vielleicht das Amt, das er nicht angetreten hat, und die Gründe dafür. Denn als Krönung seiner Laufbahn hatte sein Arbeitgeber, der Großherzog Ludewig I. von Hessen vorgesehen, ihn zum Erzbischof von Mainz zu machen. Jedoch verweigerte der Papst seine Zustimmung, und zwar, weil es bekannt sei, dass v. Wreden von nicht orthodoxer Lehre, von mehr als zulässig freien Sitten gewesen, die den Guten zum Ärgerniß und öffentlich gebrandmarkt waren. Ein Geistlicher, der als Bischof in Frage kam – und doch nach Meinung des Papstes zu wenig sittenstreng und zu fortschrittlich war! Wer war dieser Mann?

Mannheim, Heidelberg, Nancy, Darmstadt

Carl Joseph von Wreden wurde 1761 in Mannheim geboren. Er studierte Theologie in Heidelberg und Nancy. Mit 23 Jahren war er bereits Geistlicher geworden und hatte es bis zum Vorleser und Berater des Erzbischofs von Köln in juristischen Angelegenheiten gebracht. Als Napoleon Deutschland eroberte und umgestaltete, war von Wreden 43 Jahre alt und hatte sich als Kirchenjurist einen Namen gemacht. In der Folge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803, der das Ende der geistlichen Territorien im Reich bedeutete, wurde er nicht etwa entlassen – was angesichts seines Status als Geistlicher nahegelegen hätte –, sondern vom Landgrafen von Hessen-Darmstadt, dem neuen Landesherren großer Teile des aufgelösten kurmainzischen Staates, in dessen General-Organisation-Commission berufen.

In dieser Funktion war von Wreden verantwortlich für den Studienplan für die Bensheimer Schulen, der 1804 in Kraft trat. Er  sah nicht nur die Umwandlung der alten Lateinschule in ein Gymnasium vor. Er ordnete das gesamte Bensheimer Schulsystem neu. In der Präambel heißt es: Der Zweck aller Schulanstalten ist, rechtschaffene, tugendhafte, christlich denkende Menschen, brauchbare, wohlunterrichtete Bürger des Staates zu bilden.

Der erste Abschnitt des Studienplans handelt dann (v)on den Volksschulen. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Zöglinge nur mit den für das bürgerliche Leben gemeinnützigen Kenntnissen vertraut zu machen. Zwar stand der sogenannte Elementarunterricht im Vordergrund, aber hier sollte mindestens im gleichen Maße ein Unterricht stattfinden, der auch den Verstand der Kinder übt.

Der gymnasiale Studienplan

Aus der 1686 gegründeten Lateinschule wurde im Studienplan das Gymnasium. Tatsächlich enthielt der neue Lehrplan entscheidende Veränderungen. Von Wreden betonte im Studienplan die praktisch-utilitaristische Funktion der Schulbildung; auch solche Jünglinge, die sich keiner sogenannten Fakultätswissenschaft widmen wollen, (sollen) mit Übergehung der toten Sprachen an demjenigen Realunterricht teilnehmen können, der ihnen in ihrem bürgerlichen Leben nützlich sein kann, was bei dem mathematischen, geographischen, naturgeschichtlichen und deutschen Sprachunterricht der Fall ist. Obwohl Latein und Griechisch im Unterricht auch weiterhin einen breiten Raum einnahmen, kamen nun Mathematik, Technologie, Geographie, Physik und Schönschreibekunst – als Grundlage der damaligen Büroarbeit unentbehrlich – neu hinzu, erhielten mehr Stunden oder wurden inhaltlich auf den neuesten Stand gebracht. Die Praxisorientierung wird zum Beispiel im Deutschunterricht deutlich. Hier sollte die Abfassung von Briefen, Quittungen, Zeugnissen und dergleichen geübt werden. Ein Industriegarten sollte den Schülern die Grundlagen des Obst- und Gartenbaus vermitteln. Im Unterschied zum heutigen Schulbetrieb war die Dauer des Schulbesuchs nur ungefähr vorgeschrieben. Im Studienplan heißt es: Der Kurs dauert der Regel nach fünf Jahre. Ausnahmen waren jedoch möglich. Wenn zum Beispiel ein Schüler erkennen ließ, dass er ein bestimmtes Themengebiet bereits beherrschte, konnte er in die nächste Klasse aufrücken, was relativ häufig vorkam. Die Verweildauer auf der Schule differierte daher von Schüler zu Schüler um mehrere Jahre.

Im Zusammenhang mit der Erstellung des Studienplans wurde von Wreden im Jahre 1804 zum Geheimen Staatsreferendar für die katholischen Kirchen- und Schulsachen berufen. Damit war er gleichsam zum Kultusminister für das katholischen Schul- und Bildungswesen im Großherzogtum Hessen ernannt worden. In dieser Funktion konnte von Wreden 1819 durchsetzen, dass in Bensheim auch ein katholisches Schulseminar errichtet wurde. In den Schulseminaren wurden damals die Volksschullehrer ausgebildet. Bis dahin gab es im Großherzogtum Hessen nur ein evangelisches Schulseminar in Friedberg. Von Wreden ist, so gesehen, auch für das Gebäude des heutigen AKG verantwortlich.

Aber damit hatte die Karriere von Wredens noch nicht ihr Ende erreicht. Bis 1820 war er Geheimer Staatsrat geworden. Die Zufriedenheit seines Landesherrn äußerte sich schließlich in der oben erwähnten Designation zum Erzbischof von Mainz im Jahre 1827. Von Wreden war mittlerweile 66 Jahre alt. Die Reaktion des Papstes auf diesen Vorschlag war jedoch eine schroffe Ablehnung.

Für den Papst zu fortschrittlich

Dafür gab es drei Gründe. Zum einen stand von Wreden in dem Ruf, zu fortschrittlich zu sein (s.o.). Zum anderen hatte er sich im Rahmen der Frankfurter Conferenzen energisch für die dort propagierten Allgemeinen Grundsätze eingesetzt, die eine größere Unabhängigkeit der katholischen Kirche in Deutschland gegenüber Rom vorsahen. Schließlich hatte er sich auch in juristischen Aufsätzen sehr kritisch mit den Rechten der römischen Kurie gegenüber den deutschen Katholiken auseinandergesetzt. Er vertrat die Auffassung, dass die Kurie sich zu weitgehende Rechte angemaßt hätte und dass diese Rechte in Zukunft beschränkt werden sollten. Wohlweislich waren manche dieser Schriften anonym herausgegeben worden, aber seine Urheberschaft ließ sich auf Dauer nicht geheimhalten.

So endeten seine Karriere und sein Leben mit einem Patt: der Papst wollte ihn nicht akzeptieren, aber Ludewig I. blieb stur und benannte keinen anderen Kandidaten. Der Bischofssitz blieb vakant, bis von Wreden im Jahre 1829 starb.

(Dirk Scheffler)

Anselm Franz von Ingelheim (1634–1695)

Bensheim ist wahrscheinlich einer der wenigen Orte, wo des ehemaligen Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz in besonders positiver Weise gedacht wird. Wegen ihm heißt unsere Schule Altes Kurfürstliches GymnasiumUnd sein Porträt schmückt die Wand vor dem Lehrerzimmer.

Anselm Franz von Ingelheim gilt unter Historikern als schwacher, eher reagierender als agierender Landesherr. Überhaupt war er nur der Kompromisskandidat für das Mainzer Bischofsamt. Seine Regierungszeit ab 1679 war geprägt von den Auseinandersetzungen mit Ludwig XIV., der als französischer König versuchte, sein Herrschaftsgebiet mindestens bis zum Rhein auszudehnen. Deswegen war das habsburgische Kaiserhaus bemüht, einen frankreichfreundlichen Kurfürsten in Mainz zu verhindern.

In die Amtszeit Anselms fällt – ein Jahr vor der Bensheimer Schulgründung – die Aufhebung des Ediktes von Nantes im Jahr 1685, wodurch den Hugenotten die Glaubensfreiheit genommen wurde. Außerdem forderte Ludwig XIV. die Wiederherstellung des Lehnsrechts in allen Gebieten, die einmal in einem Lehensverhältnis zum französischen König gestanden haben. Und davon gab es in der Pfalz und in den Gebieten am Rhein sehr viele.

In den Jahren 1688/89 wurden deswegen Baden und die Pfalz – z.B. Heidelberg – teilweise von französischen Truppen verwüstet, Mainz wurde von ihnen für ein Jahr besetzt. Anselm Franz von Ingelheim konnte das nicht verhindern. Viele Jahre seiner Amtszeit verbrachte er deshalb außerhalb seines Herrschaftsgebietes. Ab 1691 überließ er das Regieren einem Koadjutor und lebte zurückgezogen in Aschaffenburg. Dort starb er auch am 30. März 1695.

Seine Schulpolitik

Zu den wenigen positiv gewürdigten Leistungen des Kurfürsten und Erzbischofs Anselm Franz von Ingelheim gehört dessen Schulpolitik. Gelobt wird, dass seine Schulstatuten auch „den Winterschulbesuch für alle sechs- bis zwölfjährigen Kinder“vorsahen. Aber auch die Bensheimer Schulen erhielten in seiner Amtszeit 1686 eine neue Ordnung. Damit ist das Jahr genannt, das für die Feier unseres Jubiläums im Jahr 2011 maßgeblich war. Seit 1686 sind 325 Jahre vergangen. Das ist eine lange Zeitspanne.

Trotzdem ist sie vielen nicht lang genug. Immer wieder wird behauptet, das Bensheimer Gymnasium sei älter als 325 Jahre, Bensheim blicke auf eine weitaus längere Schulgeschichte zurück. Zu diesem Thema hat Peter Fleck schon 1987 in seinen „Beiträgen zur Geschichte des Bensheimer Schulwesens“ alles Nötige gesagt. Er kam damals zu dem Schluss, „dass wegen der ausgesprochen ungünstigen Quellenlage kaum konkrete Aussagen möglich sind.“

Nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks, aber auch angestoßen durch die Reformation nahm das Bildungsbedürfnis im 16. Jahrhundert sprunghaft zu. So lässt sich auch in Bensheim eine Schule seit 1566 nachweisen, allerdings keine reine Lateinschule, sondern eine Stadtschule, an der der eine oder andere Schüler auch Latein lernen konnte. Fleck weist darauf hin, dass diese Konstruktion – der Schriftsteller Jean Paul spricht von einer „Schule in der Schule“ – damals durchaus nicht ungewöhnlich war. Trotzdem könne man nicht von einer regelrechten Lateinschule sprechen.

Nach 1546 erfasste die Reformation auch Bensheim, das damals zur Kurpfalz gehörte. Mit der Reformation wurden auch die Erlöse der Bensheimer Altarstiftungen einer neuen Bestimmung zugeführt: Sie dienten von nun an der Finanzierung des Schulwesens. Die nicht zuletzt durch diese Gelder ermöglichte Blüte des Bensheimer Schulwesens wurde „durch den Dreißigjährigen Krieg und die 1624 einsetzende Gegenreformation“ beendet.

Nach der militärischen Niederlage der Kurpfalz forderte das Bistum Mainz das Amt Starkenburg und damit Bensheim zurück. Dabei kam es zum Streit über die in der so genannten Heppenheimer Kollektur zusammengefassten frommen Stiftungen, die seit der Reformation von der weltlichen Obrigkeit kontrolliert und nach ihren Maßgaben ausgegeben wurden. Nun wurde gefordert, diese Heppenheimer Kollektur aufzuheben und die Stiftungen wieder ihren ursprünglichen frommen Zwecken zuzuführen. Dazu zählte durchaus auch das Unterrichten.

Die Gründung der Bensheimer Lateinschule

In dieser Auseinandersetzung hat sich besonders der Bensheimer Pfarrer und Dekan Bösen hervorgetan. Schon am 3. Oktober 1685 wurde Bösen „förmlich zum Direktor der neu zu gründenden Bensheimer Lateinschule ernannt.“

Die Grundlage für die im Jahre 1686 neu entstandene Lateinschule sowie für die ebenfalls neu gestaltete Stadtschule bildete die vom Mainzer Kurfürsten, dem Fürstbischof Anselm Franz von Ingelheim, erlassene Kirchen- und Schulordnung von 1686.

Demnach wurden „zwey Altaristen“ – also zwei Geistliche, die aus Altarstiftungen, Benefizien, bezahlt wurden – als Lehrer für die Lateinschule bestimmt, während die Knaben- und Mädchenschule von einem „Schulmeister mit einem Baccalaureo und (einer) Schlumeisterin der Mägdlein“ betrieben werden sollte.

Auch ein Schulgebäude mit zwei Unterrichtsräumen wird in der Schulordnung erwähnt. Damit kann erstmals von einer reinen Lateinschule in Bensheim gesprochen werden. Ein Gymnasium war diese Schule deswegen nicht, weil die beiden obersten Klassen, die Rhetorica und Philosophica, fehlten.

Über die Anzahl der Knaben, die die vier Klassen dieser Lateinschule – die InfimaSecundaSyntaxis und Poetica – besucht haben, wird man sich heute verwundert die Augen reiben. So sollen 1731 zeitweise überhaupt keine Schüler die Lateinschule besucht haben. Im Jahr 1744 waren es dann insgesamt 15, 1781 17 Schüler. Sie wurden zu zwei Gruppen zusammengefasst. Für sie reichten die beiden Unterrichtsräume völlig aus.

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